Auflage | 2017 |
Seiten | 384 S., 403 Abb. |
Verlag | Thieme |
ISBN | 9783131733719 |
Artikel-Nr. | 552858 |
Wer heute die akademische Laufbahn in der (Physio-)Therapie einschlägt, lernt im Laufe des Studiums eine Sache besonders gut: Behandlungen zu reflektieren und infrage zu stellen. Schaut man bei dieser Gelegenheit in aktuelle Studien, ist die aktive Therapie den passiven Maßnahmen meist überlegen. Gerade in der Behandlung von Rückenschmerzen entscheidet dieser Fakt über Therapieerfolg und -misserfolg. Nicht nur deshalb habe ich mich sehr gefreut, als ich zum ersten Mal das Buch „Lumbale Rückenbeschwerden. Aktive Rehabilitation in der Physiotherapie“ in der Hand hielt.
„Von der Erfahrungstherapie zur Evidenzbasierten Physiotherapie (EBP)“ steht im Vorwort – und tatsächlich bekommt der Leser 384 Seiten voller Informationen über die Entstehung, therapeutische Diagnostik und Therapie von lumbalen Rückenschmerzen. Die sind nicht nur für Therapeuten interessant, sondern auch für Ärzte, die ihre Patienten in die beratenden Hände von Physio- und Sporttherapeuten überweisen.
Die Anatomie der Lendenwirbelsäule aus biomechanischer Sicht mit Hinweisen auf deren klinische Relevanz bietet einen guten Einstieg, um beispielsweise die Unterschiede zwischen somatischem und radikulärem Referred Pain zu erkennen. Ein Kapitel über die Wundheilungsphasen bildet die Grundlage für das Verständnis der späteren Behandlungsplanung: Wie belastbar sind die Strukturen und somit der Patient im Zeitverlauf?
In Kapitel 3 geht es um chronische Schmerzen, unterteilt in Schmerz als Erkrankung oder Symptom. Relevante Red, Yellow, Blue und Black Flags werden dort erläutert und aufgelistet. Fragebögen und Assessments zur Erfassung von Risikofaktoren, Überzeugungen und emotionalen Schwierigkeiten sowie eine Zusammenfassung der internationalen Leitlinien zu unspezifischem lumbalem Rückenschmerz (NSLBP) geben dem Leser wichtige Anamnese- und Diagnostiktools an die Hand.
Besonders gut finde ich den Leitfaden zum Wirbelsäulen-Management, der den Therapeuten in der Rolle des coachenden Physiotherapeuten sieht, der beobachtet, berät, informiert, analysiert und beurteilt. Graded Exposure und Graded Activity sind zwei der Kernbegriffe dieses Kapitels. Zudem erfährt der Leser, wie Patienten auf der Grundlage von Prognosefaktoren nach geringem, mittlerem und hohem Risiko gruppiert und behandelt werden können. Bei der Definition der Behandlungsziele darf natürlich auch die ICF nicht fehlen.
Auf den Prozess des Clinical Reasoning folgt eine zielführende Behandlung. Wie eine Behandlung auf dem Weg von lokaler Stabilität zu funktionellen Bewegungen aussehen kann, findet der Leser auf den darauffolgenden Seiten. Die Rückenkarten mit Definition der Behandlungsziele und Übungsanleitung insbesondere mit Langhantel und Hanteln bieten ein breites Ideenspektrum für die aktive Therapie. Fallbeispiele aus der Praxis mit Fallvorstellung, Clinical-Reasoning-Prozess und Trainingsplan-Vorschlag schlagen endgültig den Bogen in den physiotherapeutischen Alltag.
„Lumbale Rückenbeschwerden“ ist ein Buch für alle, die einen aktuellen Überblick über einen effizienten Ablauf der Therapie bei Rückenschmerzen suchen. Ans Herz legen möchte ich dieses Buch insbesondere auch Ärzten, die sich ein Bild machen möchten, was ihre Patienten beim Physiotherapeuten erwartet. Denn Physiotherapie ist vieles – aber keine Massage.
Rezensiert von Kristina Jago