Mit dem Bielefelder Aphasie Screening steht nun ein Verfahren zur Verfügung, das bei neurologischen Patienten in der Akutphase (bis sechs Wochen post-onset) mit relativ geringem Aufwand durchführbar ist. Es ermöglicht eine qualifizierte Erfassung sprachlicher Symptome sowohl bei schweren als auch bei leichten bis minimalen Störungen. Darüber hinaus liefert es therapierelevante Hinweise (z. B. zur Stimulierbarkeit) und kann zu Nachuntersuchungen ohne große Belastung für den Betroffenen genutzt werden.
Das Bielefelder Aphasie Screening erfasst sechs verschiedene sprachliche Leistungsbereiche, einschließlich einer Spontanspracheerhebung. Zunächst wird zur Überprüfung der spontansprachlichen Leistungen in einer Dialogsituation ein halbstandardisiertes Interview geführt. Die Analyse der Spontansprache nimmt einen wichtigen Stellenwert ein, da sie neben den aphasischen Symptomen und ihren Wechselbeziehungen Hinweise auf mögliche Strategien sowie auf die kommunikativen Fähigkeiten des Patienten liefert. Zudem bildet die Spontansprache minimale aphasische Defizite ab.
Als zweiter Leistungsbereich folgt die Überprüfung des auditiven Sprachverständnisses auf Wort- und Satzebene mittels Bildunterstützung sowie anhand von Entscheidungsfragen. Ein dritter Leistungsbereich erfasst Komponenten des automatisierten Sprachgebrauchs (Reihensprechen, Sprichwörter-Ergänzen und Floskeln-Nachsprechen). Hier werden Stimulierungshilfen verwendet, um auch schwerstgestörten Patienten eine sprachliche Reaktion zu ermöglichen. Es folgt viertens die Überprüfung semantisch-lexikalischer Leistungen zunächst über das Benennen von Gegenständen (mit Hilfe von Stimulierungsstufen), ferner durch eine Beschreibung von Situationsbildern und durch das freie Assoziieren (semantische Felder / formlexikalischer Abruf). Der fünfte Leistungsbereich erfasst das Lesesinnverständnis auf der Wortebene mit Bildunterstützung sowie das laute Lesen von Wörtern. Das Screening schließt sechstens mit der Testung des Schreibens von Wörtern nach Diktat ab.
Zur Durchführung des Bielefelder Aphasie Screenings (BiAS) steht neben der Handanweisung und dem Protokollbogen eine Materialiensammlung zur Verfügung, die aus sieben, dem Patienten vorzulegenden Materialsets (Bild- und Worttafeln, Wortkärtchen sowie Buchstabenplättchen) besteht. Bei den Bildern handelt es sich um Farbfotografien, die Buchstabenplättchen befinden sich auf einer Magnettafel.
Für die Erfassung einiger Leistungsbereiche ist eine Aufzeichnung auf Tonträger vorgesehen (Spontansprache, Automatisierte Sprache, Benennen, Freies Assoziieren und Lesen).
Die Testdauer beträgt insgesamt 20 bis 40 Minuten, je nach Schweregrad neurologischer Defizite.
Das Bielefelder Aphasie Screening wurde in mehreren Vorversionen überprüft und nun in seiner Endversion an 60 neurologischen Patienten mit vaskulärer Ätiologie und 40 hirnorganisch gesunden Sprechern normiert. Untersuchungen zur Reliabilität und zu Aspekten der Validität sichern die Aussagekraft des Verfahrens ab. Aufgrund von Daten aus Patientenverläufen lassen sich überdies vorsichtige Prognosen ableiten. Damit ist das Bielefelder Aphasie Screening ein klinisch erprobtes, neurolinguistisches Diagnoseinstrument für die aphasische Akutphase, welches neben einer Aussage über das Vorliegen einer Aphasie auch viele therapierelevante Informationen liefert und in vertretbarer Zeit im Klinikalltag durchgeführt werden kann.